Ein Arzt für Oberthal
(Text: Ilona Jung nach Aufzeichnungen von Dr. Hermann Steffens)
In der Schulchronik von Oberthal wurde 1926 vermerkt:
„Auch ein Arzt hat in Oberthal die Ausübung seiner Praxis begonnen - Doktor Steffens -, und es wird in dringenden Fällen eine große Erleichterung in dem Gedanken sein, einen Arzt baldigst beschaffen zu können.
Dr. Steffens hat sich den höchstgelegenen zum Teil mit Tannen bestandenen Teil des Ortes, das Küppchen genannt, käuflich erworben, um dort sein Wohnhaus, später auch ein Erholungsheim zu errichten.“
Dr. Heinrich Josef Steffens aus Köln, geb. 1884, gest. 1969, war der erste niedergelassene Arzt in Oberthal. Wie kam es dazu?
12/1912 Promotion
13.01.1913 Approbation danach
Schiffarzt beim Norddeutschen Lloyd
13.11.1913 Niederlassung als Prakt. Arzt in Köln
01.08.1914 Einberufung als Musterungsarzt, danach Bataillonsarzt, Einsatz an der Westfront
1916 zurück nach Köln
Nach einem schweren Verkehrsunfall im Jahre 1920 war Dr. Steffens 3 Jahre lang berufsunfähig. Als er genesen war, bot ihm der Hartmannsbund eine Vertretungsstelle in Völklingen an. In dieser Zeit traf er zufällig beim Umsteigen während einer Zugfahrt auf dem Bahnhof in Saarhölzbach einen Herrn Maldener aus Oberthal - vermutlich Eisenbahner - der ihm von seinem Heimatort vorschwärmte. Von diesem erhielt er die Adressen von Ortsbürgermeister Franz Klein und Amtsbürgermeister Staub.
Nach einem Treffen mit beiden fiel die Entscheidung:
Beim „König“ (Gastwirtschaft) und seiner Frau „Suss“ in der Hauptstraße wurden die ersten Praxisräume angemietet.
Es war ein einstöckiger Anbau an die Wirtschaft. Leider erhielt Dr. Steffens keine Kassenzulassung.
Wahrscheinlich war den St. Wendeler Kollegen die Konkurrenz zu groß.
Um sich ein weiteres Standbein zu verschaffen, erwarb er ein Grundstück auf dem Küppchen. Hier sollte ein Kindererholungsheim entstehen.
Er ließ ein schönes zweistöckiges Flachdachhaus in italienischem Stil mit Balustrade erbauen (1925-1927). Die Raumaufteilung war nicht für Wohn-zwecke, sondern ausschließlich als Kinderheim gedacht. Später diente es vorwiegend als Arztpraxis und Wohnung und in den großen Ferien 6 Jahre lang als Kindererholungsheim.
Die Kassenzulassung ließ weiter auf sich warten. Als ihm die Stelle eines Werksarztes bei Mannesmann in Bous angeboten wurde, siedelte er nach Bous um. So eröffnete er dort 1926 eine Praxis mit Kassenzulassung incl. Werksarzt. Leider währte auch das nicht lange. Sein Vorgänger als Werksarzt konnte mit Mannesmann einen neuen Vertrag abschließen und Dr. Steffens wurde kurzerhand wieder entlassen.
Glücklicherweise wollten die Oberthaler Bürger Dr. Steffens aber als Arzt für ihre Gemeinde zurückgewinnen.
Im Lauf des Jahres 1926 waren oft Abordnungen von Oberthal nach Bous gekommen, um ihn zur Rückkehr zu bewegen.
„Es tat sich auch eine ganz neue Perspektive insoweit auf, da er ja jetzt im Besitz der Kassenzulassung war. Außer Knappschaft!
Das änderte sich erst mit dem plötzlichen Tod von Dr. Scholly 1929. Dessen Knappschaftsprengel wurde geteilt in 2 Teile
a) Dr. Kockler: St. Wendel einschließlich Bliesen
b) Dr. Steffens: Oberthal, Gronig, Güdesweiler
Das kollegiale Verhältnis zu den St. Wendeler Kollegen hat sich danach offenbar massiv verbessert.
Nach Vakanz vom 01.02.1926 – 01.02.1927 hatte Oberthal wieder seinen Arzt.“
Der Ankauf weiterer Parzellen 1928/29 ermöglichte ihm, zusätzlich ein teilunterkellertes einstöckiges Gebäude mit einem Winkelanbau für einen Schlaftrakt für das Kinderheim, stirnseitig eine Drogerie sowie ein Café mit Kegelbahn und Weinstube zu errichten, die an Familie Gläser vermietet wurden.
Im Café und im Anbau praktizierte ein jüdischer Dentist namens Salzmann, der 1939 nach Amerika auswanderte. Ihm folgte der Dentist Eduard Kohl, der bis 1943 im Anbau praktizierte. Er eröffnete nach dem Krieg eine Praxis in der Neunkircher Straße.
Das Anwesen auf dem Küppchen wurde bei einem Bombenangriff am 30. Oktober 1944 fast völlig zerstört.
Dr. Heinrich Josef Steffens war bis Ende 1951 in Oberthal als Arzt tätig. Am 01.01.1952 übernahm Dr. Albert Wagner die Praxis. Er baute in der Schloßstraße ein Wohnhaus mit Praxisräumen. Sein Nachfolger wiederum war der Sohn von Dr. Heinrich Josef Steffens, Dr. Hermann Josef Steffens. Dieser errichtete auf dem Küppchen wieder ein Wohnhaus mit Praxisräumen und praktizierte vom 01.07.1969 – 01.03.2000
Leider konnten die Texte des Original Flyers nicht leserlich dargestellt werden. Deshalb folgen in der Originalfassung (Ausdruck und Schreibweise).
Lage und Klima
„Oberthal“ ist der Gesamtname für mehrere kleinere Ortschaften im oberen Tale der Blies, die bei Oberthal am Südabhange des Hochwaldes entspringt. Dieses „obere Tal“ ist ein reiches Hügelland mit viel Wiesen, Wasser und Wald. Auf dem Oberthaler Bann ziehen sich die letzten, mehr als 500 m hohen Ausläufer des Hochwaldes hin. Sie schützen das „Oberthal“ vor rauhen Nordwinden. Daher hat Oberthal ein gesundes, kräftigendes Klima, das dem subalpinen Klima von Oberbayern sehr nahe kommt. Keinerlei gesundheitsschädliche Industrie befindet sich weit und breit.
• Auf dem bewaldeten Hügel, der das Dorf beherrscht, ungefähr 400 Meter über dem Meer, liegt das Kindererholungsheim. Es ist umgeben von altem Baumbestand, besonders von immergrünen Nadelhölzern, Lärchen und Eichen. Der in schlichtem Weiß gehaltenen Bau tritt weithin sichtbar hervor und fügt sich harmonisch in das schöne Landschaftsbild ein. Das Erholungsheim ist ein wirklich idyllisches und segensreich wirkendes Plätzchen.
Aufnahme finden während der Herbstferien ca. 12 erholungsbedürftige Kinder (Knaben und Mädchen) im Alter von 6-14 Jahren. Außerhalb der Herbstferien können 2-3 Kinder, besonders blutarme, schwache und leicht nervöse Mädchen im Alter von 6-14 Jahren, nicht aber infektionskranke, Aufnahme finden. – Auch Erwachsene können in einigen Zimmern untergebracht werden.
Verpflegung und Unterkunft sind in dem Erholungsheim wirklich vorzüglich. Die Heimverpflegung besteht aus 5 Mahlzeiten und zwar: Mittags gemischte Kost: Suppe, Fleisch, Gemüse, Kartoffeln, Nachtisch: Obst. Sonst vorzugsweise lacto-vegetabilische Ernährung gemäß den wissenschaftlichen Forderungen der modernen Ernährungslehre.
Der Tagespreis beträgt Fr. 16 – 18.- je nach Alter; für Frauen Fr. 24.- ./ Die ärztliche Aufnahmeuntersuchung wird mit Fr. 20.- berechnet. Diese ist nötig, damit nicht eine Infektion hereingebracht wird.
Das Haus ist für die Ansprüche des gehobenen Mittelstandes eingerichtet. Die Kinder können sowohl in Einzelzimmern wie in Zimmern mit mehreren Betten untergebracht werden. Zentralheizung und Wasserversorgung ist vorhanden.
Spiel und Unterhaltung werden ganz besonders gepflegt. Eine große Liegehalle, Spielplätze mit vielen Turn- und Spielgeräten stehen den Kindern zur Verfügung. Ein großes behagliches Südzimmer dient als Aufenthalt bei ungünstigem Wetter. Mit Märchenmotiven hübsch ausgemalte Spiel- und Musikzimmer geben auch bei schlechter Witterung angenehmen Aufenthalt für die Kinder. Im großen Planschbecken ist an heißen Tagen Gelegenheit zu erfrischendem Bad und Spiel. Mehrere Bestrahlungsapparate stehen zur Verfügung. Bäder jeder Art können verabfolgt werden. Auch zu Güssen, Tau-, Graslaufen, Sonnenbaden bezw. Freiluftbaden ist Gelegenheit.
Systematisch werden Atmungsübungen und Bewegungsspiele gemeinsam vorgenommen. Eine geregelte Tageseinteilung läßt keine Langeweile aufkommen.
Besondere Vorteile bietet das Erholungsheim durch die dauernde ärztliche Überwachung. In der Frau des Hauses finden die Kinder eine jugendfrische, mütterliche Beraterin und Helferin. Es besteht auch die Möglichkeit zu zweckentsprechender Beschäftigung mit den Schulbüchern, sodaß ein Kind bei längerem Aufenthalt kaum hinter den Klassengefährten zurückbleibt. Es wird jedoch selbstredend darauf geachtet, daß der eigentliche Zweck, die Kräftigung des Kindes nicht unter der Nacharbeit für Schule leidet.
Auch als Ausflugsort für Schulklassen eignet sich das Erholungsheim sehr gut. Die großen Spielplätze und ein neu eingerichtetes Tagescafé bieten Unterhaltung und Erquickung.
Regierungsseitig steht die Höhe, auf der das Heim liegt, das sogenannte „Küppchen“ unter dem Schutzparagraphen zur Erhaltung schöner Landschaftsbilder. Herrliche Aussicht bietet sich von der Höhe. In der Tat: ein dem Auge wohltuender und die Nerven beruhigender Blick auf die bewaldeten Hügelketten bis zum Missionshaus St. Wendel und bis zum Schaumberg.
Zu erreichen ist Oberthal und das Erholungsheim von St. Wendel aus mit der Nebenbahn St. Wendel-Tholey. Im übrigen bietet die beigefügte Übersichtskarte Anhaltspunkte für größere Strecken.
Sonstige Auskünfte gibt bereitwillig die Leiterin des Hauses. Man wende sich vertrauensvoll an sie.
Frau Dr. med. H. Jos. Steffens Oberthal Saar
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Aus dem Archiv des VfGH
2022
In den Ausgaben der „Oberthaler Nachrichten“ 2021/2022 veröffentlichte der VfGH Unterlagen aus seinem Archiv zur Geschichte von Oberthal.
In diesem Heft stehen nun alle Berichte, Aufzeichnungen und Bilder gesammelt zur Verfügung.
Diese Broschüre ist ab sofort erhältlich
im "Das Lädchen", Poststraße 11, 66649 Oberthal und
bei Werner Rauber, Poststraße 40, 66649 Oberthal
Preis 10,00 € Neuer Text
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Wie war das damals in Oberthal?